Im Mehrkatzenhaushalt oder wenn Freigänger draußen mit den Nachbarskatzen zusammentreffen, lassen sich bei genauer Beobachtung subtile Zeichen erkennen, die die Hierarchie in den jeweiligen Katzengruppen offenbaren. Doch wie bestimmen die Fellnasen, wer die ranghöchste Miez ist und durch welche Faktoren wird diese soziale Struktur beeinflusst?
Sind Katzen Einzelgänger oder soziale Wesen?
Aus der großen Katzenfamilie galten Löwen eine ganze Weile lang als die einzigen Vertreter, die man als soziale Wesen bezeichnen kann. Als sozial gilt eine Art, wenn die Tiere, die ihr angehören, feste Beziehungen miteinander eingehen und damit eine gewisse Hierarchie etablieren – wie Hunde oder eben Löwen in einem Rudel. Die anderen Katzen, also auch unsere geliebten Stubentiger, wurden als individualistische Einzelgänger betrachtet, die sich nicht groß um die Gesellschaft ihrer Artgenossen scheren. Doch dann fanden Wissenschaftler heraus, dass auch Rotluchse und Geparden in Gruppen leben und dort eine gewisse Rangordnung etablieren. Vor Kurzem entdeckten Forscher, dass es anscheinend auch in Hauskatzengruppen eine Hierarchie und soziale Struktur gibt.
Hierarchie in Katzengruppen ist sehr komplex
Noch in den 1970er Jahren waren Experten davon überzeugt, dass Katzengruppen aus zusammengewürfelten Individualisten bestünden, die zufällig gleichzeitig am selben Ort sind, weil es dort etwas zu fressen gibt. Ihre Theorie war, dass der Hunger anscheinend stärker als das Bedürfnis war, eigenes Territorium zu verteidigen. Zwar gibt es sicher auch eigenbrötlerische Samtpfoten, die keinen Wert auf kätzische Gesellschaft legen und die als Einzelkatze zufrieden sind. Aber die meisten Katzen wissen es zu schätzen, wenn sie wenigstens ab und zu – beispielsweise Freigänger beim Rundgang durch ihr Revier – mit Artgenossen kommunizieren können. Zahme Hauskatzen können außerdem eine sehr innige und liebevolle Beziehung zu ihrem Lieblingsmenschen eingehen, vor allem, wenn sie von Hand aufgezogen wurden.
Der Grund für die Annahme, dass unsere Stubentiger unabhängige Rebellen ohne Interesse an ihren Mitkatzen wären, liegt wohl in der Komplexität der Struktur von Katzengruppen. Die Hierarchie steht nämlich nicht irgendwann fest und bleibt dann so, sondern sie ist flexibel und kann variieren, wenn die Umstände sich ändern. Zudem lassen sich Unterschiede zwischen weiblichen Katzengruppen und Katerfreundschaften beobachten. Noch mal anders ist die Struktur, wenn in der Gemeinschaft alle Kater und Katzen kastriert sind.
Wie wird die Rangordnung unter Fellnasen bestimmt?
Welchen Platz in der Hierarchie von Katzengruppen eine Fellnase einnimmt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist jedenfalls nicht so, dass der größte, stärkste und herrischste Kater in der Gemeinschaft die Krone an sich reißt und sie für den Rest seines Lebens behält. Wichtiger sind zum Beispiel der Gesundheitszustand, die innere Ruhe und Selbstvertrauen, wenn ein Stubentiger einen oberen Platz in der Rangordnung belegen möchte. Besteht eine Samtpfotengemeinschaft aus weiblichen Tieren, lässt sich oft ein enger Familienverbund beobachten. Schwestern, Tanten, Omas und Katzenmütter bilden eine Gruppe, beschützen sich gegenseitig, hüten und säugen auch mal die Würfe der anderen Mütter und verteidigen ihre Katzenbabys vor aggressiven Katern, die nur ihre eigenen Gene verbreiten und dem fremden Nachwuchs etwas antun wollen. Die Rangordnung ist bei den Weibchen eher subtil, doch es gibt sie. Ältere Katzendamen, die bereits öfter Nachwuchs hatten, genießen einen höheren Status, es sei denn, sie kränkeln, dann sinkt er wieder.
Kater bilden keine solchen festen Gruppen, schließen jedoch Freundschaften mit ihren Artgenossen, die auch "Bruderschaften" genannt werden. Die Hierarchie ist dort klarer geregelt, gilt jedoch nur im Zusammenhang mit der Katerbruderschaft. In seinem eigenen Revier darf auch ein Jungkater, der in der Katergruppe ganz unten in der "Hackordnung" steht, der Chef sein. Revierkämpfe dienen dazu, die Rangordnung innerhalb der Gruppe zu klären, vor allem Jungkater, die neu in der Gegend sind, müssen sich erst beweisen, bevor sie in den erlauchten Kreis der Bruderschaft aufgenommen werden. Scheitert er, muss er sein Revier gegebenenfalls abtreten und wird von den anderen Katern gemobbt. Sind in einer Gemeinschaft alle Tiere kastriert, sind die Geschlechtsunterschiede allerdings nicht mehr so deutlich erkennbar.
Bedeutung der Hierarchiestruktur für den Mehrkatzenhaushalt
Die ranghöchste Miez in einer Katzen-WG hat bestimmte Privilegien: sie darf zuerst essen und sucht sich die jeweils besten Plätze heraus, die dann ihr gehören. Sie erkennen, welche Ihrer Fellnasen den höchsten Status genießt, wenn Sie Körpersprache und Verhalten genau beobachten. Die "Königin" betritt einen Raum geradewegs und setzt sich selbstbewusst an ihren Lieblingsplatz, der für Katzen die meisten Vorteile bietet. Im Winter ist es das warme Plätzchen an der Heizung oder am Kamin, im Sommer der höchste und beste Aussichtsposten. Rangniedrigere Tiere schleichen sich eher an der Wand entlang und bekommen die etwas weniger attraktiven Plätze ab. Außerdem reiben die Katzen ihre Wangen an der ranghöchsten Samtpfote, die die Köpfchenstubser nur empfängt. In den Katzenwangen befinden sich Duftdrüsen und durch das Reiben vermischen sich die Gerüche der Stubentiger und stellen eine Gemeinschaft her. Das ist ganz wichtig für die soziale Bindung. Dabei machen die Katzen, die in der Hierarchie weiter unten stehen, den ersten Schritt.
Die soziale Struktur im Mehrkatzenhaushalt kann leicht aus dem Gleichgewicht geraten, wenn sich etwas verändert. Dies können Kleinigkeiten sein, wie der Wechsel der Jahreszeiten, durch den sich die Lieblingsplätze ändern. Auch eine Umstellung der Möbel oder gar ein Umzug machen es nötig, dass sich die Katzen-WG wieder neu orientiert. Es kann problematisch werden, wenn eine Katze krank wird oder verstirbt, da dann die ganze Hierarchie durcheinandergerät. Dies kann zu Stress, Unruhe bis hin zu Aggressivität führen.
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