Wenn Sie Katzen untereinander beobachten oder sich einer fremden Katze nähern, können Sie meist die Kampf-oder-Flucht-Reaktion beobachten. Innerhalb eines Augenblicks entscheidet die Samtpfote, ob sie sich in Sicherheit oder in Gefahr befindet, ob sie zum Angriff übergehen oder weglaufen soll.
Was passiert bei der Kampf-oder-Flucht-Reaktion?
Kommt es zu einer Situation, die Katzen unbekannt oder für sie potenziell gefährlich ist, stellen sich ihr gesamter Körper, ihre Sinne und ihr Gehirn auf die Kampf-oder-Flucht-Reaktion ein. Das ist ein instinktives Verhalten, das sich so oder ähnlich bei fast allen Tieren und auch dem Menschen beobachten lässt. Die Katze hält in dem Moment inne, bleibt wie versteinert stehen und ist von der Schwanzspitze bis zu den Ohren aufmerksam angespannt. Das Gehirn sendet ein Alarmsignal an den Körper aus und die Nebennierenrinde setzt einen Adrenalinstoß frei. Dieser durchläuft das sympathische Nervensystem und fließt über die Blutbahn, bis sich der gesamte Körper und Geist in Alarmbereitschaft befinden.
Es kommt zu akutem Stress, neben Adrenalin wird Cortisol ausgeschüttet, die Herzfrequenz, Atemfrequenz und Puls beschleunigen sich. Der Blutdruck steigt, der Blutzucker und das Blutfett erhöhen sich, die Pupillen weiten sich, die Sinne sind hellwach und geschärft. Die Muskeln werden angespannt, das Immunsystem wird vorübergehend heruntergefahren, ebenso die Verdauung, Stoffwechsel und Sexualtrieb – die gesamte Energie wird nun für die Kampf-oder-Flucht-Reaktion gebraucht.
Fühlt sich die Katze tatsächlich bedroht und glaubt, es mit dem Gegner aufnehmen zu können, wird sie bleiben, aber deutliches Abwehrverhalten zeigen, etwa durch Fauchen, einen Katzenbuckel oder Pfotenhiebe. Lässt sich die Bedrohung so nicht vertreiben, muss sie deutlicher werden und greift an – es kommt zum Kampf. Wirkt der Gegner zu mächtig oder ist sich die Katze unsicher, ergreift sie hingegen die Flucht.
Bedürfnis nach Nähe und Distanz von Katzen
Wann die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiviert wird, hängt von der sogenannten kritischen Distanz ab. Damit wird die Entfernung bezeichnet, ab welcher Katzen sich von einem potenziellen Gegner bedroht fühlen und entscheiden müssen, ob sie sich defensiv (Flucht) oder offensiv (Kampf) verhalten. Allerdings ist die kritische Distanz nicht allgemein mit bestimmten Meter- oder Zentimeterangaben zu beziffern, da die jeweilige Entfernung von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt wird.
Einer dieser Faktoren ist zum Beispiel die Individualdistanz jeder Katze. Dabei handelt es sich um die geringste von der Katze als erträglich geduldete Entfernung zu einem Artgenossen, einem anderen Tier oder Menschen, das oder der möglicherweise gefährlich beziehungsweise unangenehm werden könnte. Die Individualdistanz hängt zum Beispiel von der Katzenpersönlichkeit ab – ängstliche Katzen haben ein höheres Distanzbedürfnis, zutrauliche Katzen lassen andere näher an sich herankommen. Stubentiger, die kaum schlechte Erfahrungen gemacht haben, verspüren ebenfalls eine niedrigere Individualdistanz als Tiere, die schon viel Schlimmes erlebt haben.
Außerdem bestimmt der Kontext die kritische Distanz mit. Weiß die Katze etwa ein gut geschütztes Versteck in der Nähe, zum Beispiel einen Baum oder ihr Zuhause, lässt sie die potenzielle Bedrohung näher an sich heran. Auf ebenem, ungeschütztem Gelände ist die kritische Distanz wesentlich größer. Katzen entscheiden sich, wenn sie die Wahl haben, lieber für eine Flucht – zu einem Kampf kommt es in der Regel nur, wenn die kritische Distanz so schnell missachtet wird, dass der Fellnase keine Zeit mehr zum Flüchten bleibt. Wenn Sie zum Beispiel eine fremde Katze plötzlich streicheln wollen und sie mit Ihrer Zuneigung überrumpeln, wehrt sie sich mit ihren Krallen und eventuell sogar schmerzhaften Bissen. Respektieren Sie die kritische Distanz und überlassen es der Fellnase, ob sie Sie kennenlernen möchte oder nicht, ist die Gefahr für einen Angriff hingegen sehr gering.
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