Umgeleitete Aggression ist nicht nur bei Katzen möglich; auch wir Menschen neigen gelegentlich dazu, unsere schlechte Laune, Angst, Ärger oder Schmerzen an Unschuldigen auszulassen, die uns zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort in die Quere kommen. Der Ehemann, der seine Frau beim Abendessen wegen einer Nichtigkeit anschreit, obwohl er eigentlich Stress und Sorgen bei der Arbeit hat, ist ein typisches Beispiel für umgeleitete Aggression beim Menschen. Ein weiteres Beispiel ist ein Teenager, der Liebeskummer hat, und scheinbar grundlos Streit mit den Eltern anfängt.
Umgeleitete Aggression: Instinktives Verhalten
Kommt es für Außenstehende plötzlich und ohne Vorwarnung zu einem Angriff der sonst so friedlichen Katze, steckt meistens umgeleitete Aggression dahinter. Der eigentliche Auslöser der Angst, der Frustration oder des Zorns ist nicht erreichbar, trotzdem muss die Aggression irgendwo hin – dies bekommen dann andere Haustiere oder Menschen, die zufällig gerade in der Nähe sind, zu spüren. Es ist wichtig zu wissen, dass dieses Verhalten nicht bösartig ist, auch wenn es sich von der Beschreibung her so anhört. Tatsächlich aber ist es ein Instinkt, den die meisten Lebewesen in sich tragen. Wie stark der Instinkt ausgeprägt ist, ist auch eine Frage der Persönlichkeit, doch das Potenzial zur umgeleiteten Aggression besitzen alle.
Ein häufiger Auslöser bei Katzen ist, wenn sie aus dem Fenster schauen und Artgenossen aus der Nachbarschaft sehen, die in ihr Revier eindringen. Da sie sich im Haus befinden, können sie den Eindringling nicht vertreiben, was sie ärgert und frustriert. Den inneren Konflikt lösen sie durch umgeleitete Aggression gegenüber Unschuldigen. Es kann jedoch auch sein, dass Ihre Katze sich vor etwas erschreckt und Angst bekommen hat, und dann aggressiv reagiert. Der Grund ist nicht immer einfach festzustellen, da die Fellnasen ihre Umwelt anders wahrnehmen als wir Menschen. Dabei bemerken sie Dinge, die uns verborgen bleiben, die sie wütend machen oder verängstigen.
Umgeleitete Aggression kann jedoch auch manchmal ein Symptom für eine Krankheit oder Schmerzen sein – können Sie keinen äußeren Grund dafür finden, lassen Sie Ihre Katze daher vorsichtshalber beim Tierarzt untersuchen.
Umgeleitete Aggression im Mehrkatzenhaushalt vermeiden
Wenn Sie den Auslöser für die umgeleitete Aggression kennen – zum Beispiel eine freche Nachbarskatze, die ins Revier Ihrer Samtpfote eindringt – sollten Sie versuchen, ihn abzustellen. Denn die umgeleitete Aggression kann zu nachhaltigen Spannungen und Unfrieden führen, langjährige Katzenfreundschaften sogar dauerhaft belasten. Versuchen Sie zum Beispiel, Ihren Garten mit einem Katzenzaun gegen Eindringlinge abzusichern, oder die fremden Nachbarskatzen mit natürlichen, ungefährlichen Mitteln von Ihrem Grundstück zu verscheuchen.
Sie können außerdem an der Terrassentür die Jalousien herunterlassen, wenn die Nachbarskatze durch das Revier Ihrer Fellnase spaziert. Damit Ihre Katze trotzdem noch einen Ausguck hat, können Sie ihr an einem anderen Fenster, ohne Blick auf den Garten, einen gemütlichen Platz einrichten.
Was tun, wenn Katzenfreunde sich nicht mehr vertragen?
Kennen Sie den Auslöser nicht oder hat die umgeleitete Aggression bereits Schaden angerichtet, müssen sich Ihre Katzen neu kennen lernen. Als erstes müssen Sie die Streithähne voneinander trennen, aber ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Gehen Sie also keinesfalls mit Ihren Händen oder Ihrem Körper dazwischen, sondern benutzen Sie ein Kissen, dickes Handtuch, ein Stück Pappe oder einen Besen, um die Kämpfenden voneinander zu lösen und auf Abstand zu halten. Achtung! Schreien Sie nicht und klatschen Sie nicht in die Hände oder machen andere laute Geräusche, um die Katzen auseinander zu bekommen. Auch Wasserpistolen oder Sprühflaschen sind hier nicht zu empfehlen. Die ohnehin stark gestressten Tiere bekommen dadurch nur noch mehr Angst, was die Aggression verschlimmern kann.
Bringen Sie den Angreifer nach der Trennung in einen stillen, abgedunkelten Raum, damit er sich wieder beruhigen kann, während sich das Opfer von der unvermittelten Attacke erholt. Bis dahin halten Sie beide Tiere räumlich und ohne Sichtkontakt voneinander getrennt. Falls diese Phase länger dauert, wechseln Sie häufiger die Räume, sodass sich keine festen Revieransprüche entwickeln, die später für neue Probleme sorgen. Bachblüten zur Beruhigung und Pheromon-Verteiler für die Steckdose können unterstützend wirken. Bei Zweifeln sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt oder Tierheilpraktiker über geeignete Maßnahmen.
Anschließend müssen Sie Ihre Katzen so zusammenführen, als wären sie einander fremd. Haben Sie Geduld, oft braucht es Wochen, manchmal sogar Monate, bis die Tiere wieder Freunde werden. Dabei gehen Sie wie folgt vor:
● Katzen räumlich trennen, aber Sichtkontakt zulassen, zum Beispiel durch ein Netz oder Gitter in der Tür.
● Tiere auf beiden Seiten der Abtrennung füttern und mit ihnen spielen.
● Wenn das ohne Knurren, Fauchen und Drohgebärden funktioniert, Gerüche der Tiere miteinander tauschen. Dabei reiben Sie eine Katze mit einem weichen Tuch ab und legen es zu der anderen Katze, und umgekehrt.
● Absperrung so weit öffnen, dass die Tiere sich beschnuppern, aber nicht einander angreifen können.
● Absperrung entfernen, aber Katzen nur unter Aufsicht fressen lassen und mit ihnen spielen.
Auf diese Weise lernen Ihre Tiere die Gesellschaft des anderen wieder zu schätzen und begreifen, dass der andere keine Bedrohung ist. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Ratgeber "Zwei Katzen aneinander gewöhnen: Tipps zur Haltung".
Diese Themen zur Katzenerziehung könnten Sie auch interessieren:
Die Katze ist aggressiv gegen Menschen: Was kann man tun?