Im Gegensatz zu vielen anderen Redewendungen, die ihren Ursprung in längst vergangenen Zeiten finden, lässt sich die Erklärung für "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul" sogar in die Gegenwart übertragen. Pferdekäufer überprüfen das Alter der Tiere, indem sie ihr Gebiss begutachten.
Erklärung für "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul"
Pferde besitzen, genau wie wir Menschen, Backen- und Schneidezähne. Und diese nutzen sich mit der Zeit ab – vor allem die Backenzähne werden mit der Zeit durch das Zermahlen des Futters abgerieben. Ein Käufer kann also am Grad der Gebissabnutzung beim Tier erkennen, ob der Verkäufer nicht ein wenig gemogelt hat, was das wahre Alter des Pferdes angeht. Ist das Pferd allerdings ein Geschenk, wäre es unhöflich, genauer nach dem Alter zu schauen, so die Erklärung.
Der Spruch mit dem geschenkten Gaul, dem man nicht ins Maul gucken soll, existiert in allen möglichen Kulturen und hat seinen Ursprung im Lateinischen "Noli equi dentes inspicere donati". Im übertragenen Sinne heißt es, Geschenke sollte man freudig und dankbar annehmen und weder ihren materiellen Wert hinterfragen noch sonst in irgendeiner Weise Kritik daran üben.
Was mache ich nun mit meinem geschenkten Gaul?
Sie haben sich zu Weihnachten oder zum Geburtstag etwas ganz Bestimmtes explizit von Ihren Liebsten gewünscht; doch der Blick auf den Gabentisch offenbart: Es ist nicht so ganz das geworden, was Sie sich vorgestellt haben. Oder Ihre Schwiegermutter bedenkt Sie zu allen möglichen Gelegenheiten mit unbrauchbaren Dekorationsartikeln, die ganz und gar nicht Ihrem Geschmack entsprechen? Natürlich wissen Sie, dass man nicht undankbar sein soll, einem geschenkten Gaul schaut man schließlich nicht ins Maul. Was also tun?
Da ist psychologisches und diplomatisches Feingefühl gefragt, denn der Schenkende hat es wahrscheinlich von seiner Warte aus nur gut gemeint. Zeigen Sie sich dann zu offensichtlich enttäuscht, gekränkt oder verärgert, weil Sie sich durch das unpassende Geschenk persönlich missverstanden, schlimmstenfalls vielleicht bevormundet fühlen, ist der schief hängende Haussegen vorprogrammiert. Mit Ehrlichkeit sollten Sie also nur reagieren, wenn Ihnen an einer harmonischen sozialen Beziehung zum Schenkenden nicht viel gelegen ist oder Sie mit Sicherheit wissen, dass dieser Sie ärgern wollte. Anderenfalls lügen Sie am besten und tun so, als gefiele Ihnen die Scheußlichkeit.
Oder Sie versuchen es mit einer freundlichen Halbwahrheit, sagen zum Beispiel, dass Sie das langweilige Buch schon haben oder der hässliche Pullover farblich nicht in Ihre Garderobe passt, er aber ansonsten sehr schön ist. Auf diese Weise können Sie mit etwas Glück den Kassenzettel erhalten und das unpassende Geschenk umtauschen. Allerdings besteht kein generelles Umtauschrecht, wenn die Ware unbenutzt und einwandfrei in Ordnung ist. Die meisten Verkäufer nehmen ungeliebte Gaben aber aus Kulanz zurück, vor allem, wenn der Kunde nett und freundlich fragt.
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